Gaujugendführer Erich Röthel (1) an Hilde Erker (2), - Ernennung zur Mädchengauführerin in Gottschee, -Redeverbot für Ihren Bruder Herbert Erker, Leipzig, 23. März 1936.





Schwäbisch-Deutscher Kulturbund (3)

Gaujugendleitung Gottschee
  Abteilung-
Gaujugendführer


Kameradin
Hilde Erker

MITTERDORF
Leipzig, am 23. Lenzing 1936 (4)


Liebe Kameradin Hilde !


Als wir uns das letzte Mal sahen, haben wir uns noch Sie gesagt, ich glaube aber, dass die Arbeit die uns bindet dieses Wort aufhebt und dass wir uns nun mit Du betitel wollen, was wie ich hoffe auch gleich zu einem besseren Verstehen und besserem Zusammenarbeiten beitragen wird.

Ich habe heute von meiner Mutter einen Brief erhalten, in dem sie mit unter anderem mitteilt, dass Du bei ihr warst
und sie gefragt hast, ob das wahr sei, dass ich in verschiedenen Ortsgruppen Deinem Bruder angegriffen habe und gesagt habe, man möge nicht auf ihn hören. Das ist nicht wahr, ich habe ihn nicht angegriffen, aber ich habe nach dem ich von Jakob Lichtenberger dem Bundesjugendführer, der mir allein zuständig ist, die Ernennung zum Gaujugendführer erhalten habe, und in den Landesjugendrat einberufen wurde, allen Jungendgruppen des Gaues Gottschee verboten, bis auf Widerruf, Deinen Bruder in den Gruppen sprechen zu lassen und das aus folgenden Gründen. Nachdem Kamerad Thurn in der Gottschee gesprochen hatte, nämlich in Nesseltal, ohne nur ein Wort von Erneuerung oder Spaltung zu nennen, ist Herbert herumgefahren in den verschiedenen Ortsgruppen und hat den Leuten erzählt, wir wären gegen die Religion usw. Dem Obmann der Göttenitzer Ortsgruppe hat er wortwörtlich beim Kongress in Laibach gesagt: "Was wollen diese Städtischen, die reden nur und arbeiten nichts!" Das war nach dem übrigen was er mit ihm sprach vollkommen gegen mich gemünzt.

Du musst mich verstehen, Erich Röthel hätte darüber kein Wort verloren, aber der Gaujugendführer musste dagegen auftreten, denn er ist in seinem Gau der Repräsentant der Bewegung. Was sich Herbert noch alles geleistet hat, kannst Du genau bei Engele oder Kresse erfahren. Das aber was heute die bösesten Folgen hinter sich herzieht ist, dass er fast bis zuletzt für Oblak durch Feuer ging und schon zur Jugendtagung in Neusatz auf Anraten des Kaplans die Geschlossenheit der Gottschee durchbrach und nicht neben mir, sondern nach den Worten des Kaplans gegen mich nach Neusatz fuhr.

Wir können uns auf keinen Fall in der Gottschee eine Spaltung gestatten, oder aber sie muss gleich kommen, das ist klar, es möge dahingestellt bleiben wer sich um die Gottschee mehr Verdienste erworben hat, Herbert oder ich, ich will und kann nicht über meine geleistete Arbeit sprechen, ernannt wurde ich, folgedessen, hätte er als Nationalsozialist schweigen müssen und wenn das schon seinen Stolz getroffen hat, so hätte er das verbergen müssen, denn unsere Aufgabe ist es nicht nach Titeln zu streben sondern Arbeit zu leisten. Ich bin überzeugt, dass Herbert besser als ich die Heimarbeit in den Ortsgruppen leisten und leiten kann, deshalb habe ich ihn auch, als wir uns ausgesprochen hatten und er versprochen hatte, mit Handschlag mit uns zu arbeiten und nie mehr gegen uns, sofort zum Gauschulungsleiter ernannt.

Ich weiss aber eben so gut, dass er die andere, die politische Arbeit, die ja beim Gauleiter die Hauptsache ist nie hätte machen können, weil er zu weich und zu sehr Gefühlsmensch ist. Als solcher eignet er sich wie geboren zum Schulungsleiter, nie aber zum Gauleiter. Ich habe ihn dann auch als Schulungsleiter in den Gaujugendrat genommen und seine erste Arbeit war die Grenze gegen Weiskrein, also Tschermoschnitz und Pöllandl. Er hat da gute Arbeit geleistet, wurde aber dann abberufen zu den Soldaten. Mit diesem Augenblick, war selbstverständlich das Verbot ihn sprechen zu lassen aufgehoben. Herbert hat aber trotz all dem immer hinter meinem Rücken über mich geschimpft und gesagt, man werde es zu Wahlen kommen lassen wer da Jugendführer sein soll und da kämen nur er, Bartelme und Wittine in Betracht. Er hat also weiter sein Eigeninteresse vor das Gesamtinteresse gestellt, -warum weiß ich nicht. Denn wenn er schon geglaubt hat, dass ich eine Fehlbesetzung sei als Jugendführer, dann hätte er nachdem, /ich schreibe das nicht um mich zu loben oder hervorzutun, sondern nur um zu klären/ alle Ortsgruppen mit meiner Arbeit äusserst zufrieden waren. Manche wie Nesseltal, Pöllandl, Grafenfeld, Schalkendorf, Ebental, Rieg, Tiefenbach sogar begeistert waren, schweigen müssen und sich sagen. Seine Arbeit klappt, so werde ich meine auf ein anderes Gebiet verlegen und dorten selbstlos schaffen. Das hat er nicht getan, nein er hat weiter gegen mich gearbeitet, doch ich habe geschwiegen.

Wenn irgend ein Gruppenführer gekommen ist mit den Worten: "Herbert hat wieder das und das gesagt!" habe ich geantwortet: "Das hat er nicht so gemeint, da hat er sich ungeschickt ausgedrückt!" Das über diese Angelegenheit. Es freut mich ausserordentlich, dass Du auch nicht einfach der einen Seite Gehör geschenkt hast und einfach mich verworfen hast als flachen Menschen, sondern dass Du um Aufklärung zu meiner Mutter gegangen bist.

Ich weiß dass man allein in Mitterdorf nicht gut auf mich zu sprechen ist, warum /?/ muss da nicht auch Herbert daran schuld sein? Ich weiß auch, dass Deine Familie aus diesen Gründen sehr gegen mich ist, Deine Mutter hat ja einmal meinen Bruder Gerhard hinausgeschmissen, als er im Auftrag von mir nach Herbert fragte. Es ist da ja weiter nichts dabei, wir haben nur alle sehr gelacht, als er mit ganz verdattertem Gesicht zurück kam, aber ist so eine künstlich grossgezogene und vor allem grundlose Feindschaft notwendig, noch dazu zwischen zwei alten Gottscheer Bauernfamilien?

Du musst begreifen dass ich das heute alles aus einem ganz anderem Lichte sehe, nachdem ich ein halbes Jaht in Deutschland war. Es ist einfach gerade das Gegenteil von N.S. wenn man da in einem Dorf erzählt, "Ja die Städtischen,.......!" Es gibt für uns einfach keine Stadt, kein Land, kein Gottschee kein Mitterdorf, keinen Erker und keine Röthel, sondern nur die Gottschee, das deutsche Volk und wer sich mir im Verfolgen dieser Ziele entgegenstellt, der muss fallen. Es ist das heute nicht nur mehr mein Wille. sondern bereits Befehl, auf keinen Fall die Gauführung aus der Hand zu geben und meinen Kopf bis zuletzt durchzusetzten. Denn ich habe die Verantwortung übernommen und muss sie nun tragen. Ausser ich werde von massgebender Stelle, das heisst also nicht Kulturbund, sondern Lichtenberger oder von hier abberufen. Der KB hat mich ja bereits abgesetzt, es ist doch klar dass ich diese Absetzung nie anerkennen kann, denn ich unterstehe keiner Organisation und keinem Bund, sondern lediglich der neuen deutschen Weltanschauung und ihren Leitern, nie aber einem besserem Gesangsverein. Du wirst mich ja heute verstehn, vor einem Jahr, hättest Du mich sicher noch nicht verstanden, auch ich hätte damals noch nicht den Standpunkt vertreten, denn zum N.S. wird man nicht geboren dazu muss man sich durchringen.

Hilde, ich habe für die neue deutsche Weltanschauung ein ganzes Jahr meines Studiums geopfert, ich habe alle meine Ideale und Ziele aufgegeben, das heisst Schauspieler zu werden oder sonst Künstler, ich habe /das bitte ich Dich vollkommen für Dich zu behalten/, mit Manca Burgar alles abgebrochen, auch das geopfert, ich habe schliesslich die Gottscheer Jugend zu einer einzigartigen Manifestation am 4. August 1935 geeint und zusammengerufen, ich habe dann schließlich als Flüchtling die Heimat verlassen müssen und nun als Dank für das höre ich, dass die Mitterdorfer Ortsgruppe ihre Befriedigung der Bundesleitung zu meiner Absetzung ausgesprochen hat. Ich habe das nicht tragisch genommen, weil ich dachte es stecke der Kaplan und der Pfarrer dahinter, doch dann höre ich weiter, dass als Alois Kresse mein Stellvertreter nach Mitterdorf kommt und der Jugendgruppe Vorhaltungen macht Dein Bruder Josef nur den Kopf hängen ließ. Keine Antwort ist auch eine Antwort, das hat mich schwer getroffen.

Was ich geopfert habe ist nichts das ist klar, denn ich bin bereit mein Leben zu opfern für unsere Idee und das ist bei Gott keine Phrase, aber schon auf das geringste Opfer darf von Leuten die ihre Pflicht erfüllen, nicht eine derartige Antwort kommen. Ich weiß heute nocht nicht, ob mein künftiges Tätigkeitsfeld in der Heimat sein wird oder nicht, -Politik wird es sein und zwar immer dort wo ich am notwendigsten zu brauchen bin, eines weiß ich aber, wenn ich nach Hause komme, dann wird da eine ganz grade und sture Linie verfolgt werden, die nur nach dem einem führen wird nach der Verwirklichung unserer neuen deutschen Weltanschauung bis in die kleinsten Kleinigkeiten und wer sich mir da entgegenstellen wird, der muss fallen, denn das ist meine Pflicht.

Das traurige an der ganzen Sache aber ist, dass sich keiner in der ganzen Gottschee gefunden hat, der diese Sache ins reine gebracht hätte, nicht wegen mir, aber wegen der geraden Linie, die wir alles, aber schon auch alles selbst machen muß.

Ich würde Dich bitten mir recht bald zu schreiben und mir Deine Stellung zu meinem Brief klarzulegen. Beiliegend Deine Ernennung zur Mädchengauführerin und die Arbeitseinteilung, auch dazu bitte ich Dich Stellung zu nehmen.


 
Mit den herzlichsten Grüssen und
Sieg Heil !
 
Dein Kamerad

Erich Röthel




Anmerkungen:

(1) Erich Röthel, Gaujugendführer Gottschee, geb. 09. Oktober 1912 in Gottschee, wurde am 21.02.1938 an der Universität Leipzig zum Dr. rer. publ. ernannt.

(2) Hilde Otterstädt, Mädchengauführerin, geb. Erker, 1911 in Pöllandl, Tochter von Josef Erker, Gottscheer, Lehrer in Masern (Grcarice) 1912-1914. 1938 Heirat mit Herbert Otterstädt, geb. 12. Februar 1912 in Berlin, dieser starb am 26. November 1963 in Wiesbaden. Zwei Kinder.

(3) Am 20. Juni 1920 wurde in Neusatz / Novi Sad der Schwäbisch-deutsche Kulturbund als unpolitischer Verein gegründet. Eine der führenden Gottscheer Persönlichkeiten, der Rechtsanwalt Dr. Arko, nahm an der Gründungsversammlung teil, in dessen Hauptausschuß er aufgenommen wurde. Diese Aktivität brachte den Gottscheern anfangs nichts ein, da die Gründung von Ortsgruppen in Slowenien vorerst nicht zugelassen wurde. Erst 1922 konnte in Gottschee für kurze Zeit eine Ortsgruppe gegründet werden.

Satzungsmäßige Ziele des Kulturbundes waren die Pflege des deutschen kulturellen Erbes, die Verbreitung von Büchern, Kunstwerken, Musikalien und Filmen, die Einrichtung und Förderung von Büchereien und anderen volksbildnerischen Institutionen, die Veranstaltung von Vorträgen und künstlerischen Darbietungen, die Ausbildung deutscher Lehrer und Geistlicher sowie die Förderung sozialer und wirtschaftlicher Einrichtungen.

Obwohl die Satzungen, welche vom jugoslawischen Innenministerium genehmigt wurden, die Tätigkeit des Verbandes im gesamten Staatsgebiet vorsahen, wurden Ortsgruppen in Slowenien nicht zugelassen. Der Belgrader Ministerrat beschloss vielmehr - vermutlich aus einem innenpolitischen "Kuhhandel" - am 11. April 1924 die Auflösung des Schwäbisch-deutschen Kulturbundes. Einige Ortsgruppen führten ihre Arbeit in eingeschränktem Umfang fort, bis Innenminister Maksimović die Auflösung am 12. Januar 1927 per Verordnung widerrief.

Am 6. Juni 1927 fand im syrmischen India / Indjija die feierliche Wiedergründungsversammlung des Kulturbundes statt. Nach der Ausrufung der Königsdiktatur am 6. Januar 1929 wurde die Arbeit des Verbandes einige Zeit behindert.

Am 28. August 1930 gestattete die Regierung die ungehinderte Tätigkeit jedoch, am 14. April 1931 wurden neue Satzungen genehmigt.

Im Schwäbisch-deutschen Kulturbund kam es in den dreißiger Jahren zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Vertretern einer kompromißbereiten Linie in der Minderheitenkulturpolitik und den "Erneuerern", welche sich in einer stärken Anlehnung an das Dritte Reich eine Verbesserung der Situation der Jugoslawiendeutschen erhofften. Der Kulturbund entwickelte sich immer mehr zum Werkzeug der nationalsozialistischen Propaganda.


In Slowenien waren 1933 und 1934 weitere Ortsgruppen des Kulturbundes gebildet worden, so auch in einzelnen Dörfern der Gottschee. 1939 setzte sich die jüngere Generation, sog. "Erneuerer" durch; die Behörden der Draubanschaft aber hatten seit Jahren die vermeintliche oder tatsächliche irredentistische Tätigkeit des Kulturbundes in Slowenien zum Vorwand genommen, die Ortsgruppen des Verbandes wiederholt aufzulösen.

Bis zum 6. April 1941 blieb der Schwäbisch-deutsche Kulturbund, der die Losung "volkstreu und staatstreu" vertrat, die behördlich zugelassene Dachorganisation der deutschen Minderheit in Jugoslawien.

In den dreißiger Jahre wandte sich ein immer größerer Teil der Deutschen in Slowenien von Österreich ab und orientierte sich am einflußreichen Deutschen Reich und dessen nationalsozialistischen Staatsideologie; dies galt auch für etliche Ortsgruppen des Kulturbundes. Bereits im Februar 1933 wurden die ersten Hakenkreuze auf Hauswände in der Gottschee geschmiert, Hitlers Wahlerfolge wurden mancherorts gefeiert und man begann sich auf der Straße mit "Heil Hitler" zu grüßen.

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Lenzing - veralteter Ausdruck für März


 
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